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Detail eines Außenaltares mit Skulpturen des Bildhauers Kalfala
LOBIpedia
Ergebnisse eigener Recherchen
 

Im gleichen Maße, in dem der Markt mit eigens für den Handel gefertigten Bateba, die es als "authentische Kunst" bis in die Galerien und Auktionshäuser schaffen, überschwemmt wird, häufen und perpetuieren sich die Fehlinformationen über das Volk der Lobi, das im Dreiländereck von Burkina Faso, Côte d'Ivoire und Ghana beheimatet ist.
Die Gründe hierfür sind vielfältig. So wird das von nur wenigen Forschern sehr lokal begrenzt Recherchierte auf das gesamte Lobi-Gebiet übertragen, während die Lobi selbst, die keine Schrift, sondern lediglich die mündliche Überlieferung kennen, über keine eigenen Dokumentationen verfügen.
Aktuelle Informationen über Lobi-Schnitzer und deren Werke stammen zumeist von europäischen Kunsthändlern, die im Wesentlichen - vor allem in Bobo Dioulasso, Gaoua und Ouagadougou - "ihre" Antiquaires abklappern, bei denen es sich zumeist um Haussa handelt. Die Haussa, eine in ganz Westafrika anzutreffende Händlerkaste, sind geschäftstüchtige (kultferne) Muslime, die auf nicht immer legalem Weg an dem Kult entstammende Lobi-"Ware" gelangen, gezielt den Busch nach ihr durchkämmen und/oder, seit sich die Lobi besser gegen Diebstahl zu schützen wissen, Bateba ganz einfach für den Handel produzieren und "auf gebraucht" trimmen lassen.
Letztere, bei den Haussa "en gros" eingekauft, werden anschließend auf dem europäischen Markt als "vom Altar" stammend angeboten (siehe dazu die beiden nachfolgenden Aufnahmen von typischer Ware in Gaoua und Bobo Dioulasso, wie man sie aus dem Internet-Handel kennt).

Händlerware in Gaoua
Händlerware in Bobo

Dies ist nicht zuletzt wegen des oftmals mangelnden Wissens über die Lobi in Europa möglich.
Die Fehlinformationen beginnen bereits bei der Bevölkerungszahl der Lobi, die bisweilen mit 160.000 und bisweilen mit 450.000 angegeben wird.
Wer will sie gezählt haben, wenn noch nicht einmal ihr Siedlungsraum exakt bestimmt ist?
Aufschlussreich sind in diesem Zusammenhang die in Publikationen abgebildeten Landkarten, die nur auf burkinischem Terrain Orte ausweisen - weil lediglich dort bislang geforscht wurde! Es findet sich in Veröffentlichungen bisweilen die Behauptung, dass die südliche Begrenzung des Lobi-Gebietes die ivorische Stadt Bouna sei. Jedoch trifft man selbst noch 25 Kilometer südöstlich von Bouna auf Lobi-Dörfer. Und dort war zu hören, dass es sogar noch in der Gegend von Bondoukou, 110 Kilometer südlich von Bouna, Lobi-Siedlungen gebe.    

Hinzu kommt die insbesondere von hiesigen Lobi-Sammlern oder Galeristen gerne verbreitete Mär vom aussterbenden/ausgestorbenen Kult.
Tatsache ist, dass sich selbst in den Provinzhauptstädten Gaoua (Burkina) und Bouna (Côte d'Ivoire) nahezu alle Lobi, auch die Hochschulabsolventen, zu ihren Traditionen bekennen ( "Ich bin Animist" ) und Wahrsager konsultieren.
Inmitten der Stadt Gaoua befindet sich - einem riesigen Familienanwesen zugehörig - der Altar einer Ende der Neunzigerjahre verstorbenen Wahrsagerin (La Grande Féticheuse). Die Tür zum Altarraum ist nur angelehnt, ein Schloss fehlt, doch es traut sich niemand - noch nicht einmal die engsten Hinterbliebenen - hinein, weil ein Fluch auf dem Schrein lastet: Wer einen Blick auf ihn wirft, stirbt!     


Tief im Busch, manchmal nur einige Kilometer von den Städten entfernt, scheint die Zeit vor einem Jahrhundert stehen geblieben zu sein:
       

Es gibt kein fließendes Wasser und keinen Strom. Die Menschen versorgen sich selbst, bauen Hirse, Mais, Erdnüsse und Tabak an, ernten die Früchte des Affenbrot- und des Karité-Baumes, sammeln Okra-Frucht und Waldkräuter für Soßen.
Der Mann rodet und hackt die Böden, die Frau ist zuständig für das Säen der Feldfrüchte und den Heimtransport der Ernte sowie deren Verkauf auf dem Markt. Ihm obliegen der Hausbau aus Lehm, das Holzschnitzen und die Bearbeitung von Eisen, ihr das Brauen von Hirsebier, das Flechten von Körben und die Erstellung von Tontöpfen (Canari), auch der für den Kult bestimmten Sakralgefäße (Thil Boula).   

Lehmbau einer Familie
Ernte auf dem Dach

Das Dorf Tchoinfara
Zunächst zur Bauweise  


Bekannt sind die weit auseinanderliegenden festungsähnlichen Familengehöfte ("Sukula", s.o.): Mit jeder neuen Ehefrau oder Schwiegertochter (die Söhne bleiben, die Töchter gehen mit der Heirat) gibt es einen Anbau. Die Ernte wird - in der Trockenzeit von November bis Juni - auf dem Flachdach gelagert.   


Darüber hinaus gibt es aber sowohl auf burkinischem als auch auf ivorischem Lobi-Terrain strohgedeckte Wohnhäuser im engeren Dorfverbund, die - in der südlichen Region - zum Teil bemalt sind. Im Gegensatz zu anderweitigen Mutmaßungen handelt es sich bei letzteren um eine "echte Lobi-Spezialität", die keineswegs von den Kulango oder anderen Ethnien beeinflusst wurde.

Kpaon
Haus in Assoum

Zur "Dorfkunst"


An Orten, die von der Stadt aus wegen zu großer Entfernung nicht mehr bequem mit dem Rad oder wegen zu enger bzw. fehlender Pisten nicht mit dem Jeep erreichbar sind (Stichwort: Diebstahl!), sieht man sie überall: Private Schreine am Hauseingang, im Hof oder auf dem Dach.

Dachaltar bei Nako
Grabaltar in Midebdo

Die Lobi leben in völligem Einklang mit der Natur - ohne Trennung zwischen Alltag und Religion.
Ganz gleich, ob es sich um die Errichtung eines Hauses, den Besuch bei Freunden, eine drohende Gefahr oder um die Fruchtbarkeit der Frau oder des Feldes handelt: Alles wird von den Göttern/Geistern (mit)bestimmt.  
Es gibt - hierarchisch gesehen - einen großen mächtigen Gott (Dagba) als Herrscher über Himmel und Erde. Dieser ist aber zu weit weg, als dass er sich beeinflussen ließe, und bedarf deshalb weder einer speziellen Verehrung noch besonderer Opfer.
Es geht vielmehr um die alltäglichen Götter (Thila, Singular: Thil), die der Allmächtige den Menschen an die Seite stellte, vor allem den höchstpersönlichen Hausgott (Wathil, mit "Fétiche" übersetzt), der ererbt ist oder der sich ganz einfach seinem Besitzer aufgedrängt hat.
Der Wathil wird durch Schreine im Haus, auf dem Dach und/oder am Hauseingang verehrt und erhält zur Erfüllung seiner Aufgaben Tongefäße (Thil boula, Singular: Thil blo) und Figuren (Bateba).
Die Lobi - Männer wie Frauen -  schildern diesen Vorgang immer wieder so: Plötzlich verlange der Wathil nach einem Holzfiguren-Paar sowie einer Schlange und einem Chamäleon aus Metall. Das "Couple" fungiere als elterlicher Ratgeber, die eigentlichen (gefährlichen) Akteure seien Schlange und Chamäleon, die die Beschlüsse der Eltern in die Tat umsetzten. Gemeinsam mit dem Tongefäß, in dem sich Wasser für den Wathil sowie Kaurischnecken befinden, bildet dieses Ensemble den Schrein/Altar, der - je nach Bedarf - mit frischem Tierblut, Hirsebier und/oder zerkauter Kola-Nuss beopfert wird.
Bevor der Schrein "in Betrieb" genommen wird, bedarf es aber noch seiner Ausstattung mit den erforderlichen Kräften durch einen Wahrsager oder eine andere mit  entsprechenden Fähigkeiten versehene Person.

Vier Jahre alte Altarfiguren
Vierzig Jahre alte Altarskulpturen

Es ist schwierig, von der Patina/vom Aussehen der Bateba auf deren Alter zu schließen. Die Altarskulpturen links oben waren zum Aufnahmezeitpunkt vier Jahre alt, die rechts daneben vierzig Jahre.    


Skulpturen im Außenbereich (z.B. zum Schutz der Ernte auf dem Dach), die, wenn die Thila ständig nach deren Erneuerung verlangen, von vornherein aus wenig beständigem Weichholz gefertigt werden, sind zusätzlich den Witterungseinflüssen ausgesetzt (Regenzeit!) und verfallen innerhalb weniger Jahre. Die aus hartem Sankolo oder altem (ebenfalls hartem) Karité geschnitzten Außenskulpturen verfärben sich mausgrau. Etwaige "Beopferungsschichten" werden vom heftigen Sommerregen abgewaschen.


Innenskulpturen, selbst diejenigen aus Hartholz, sehen bereits nach kurzer Zeit sehr alt aus, wenn sie häufig/heftig mit Blut beopfert werden.

Sodann sind auch die Schreine im Inneren eines Lehmbaus oftmals hoher Luftfeuchtigkeit ausgesetzt. Abdichtungen wie in Europa sind im Lobi-Land unbekannt. Vor allem aber sorgt das in den Thil boula verdunstende Sakralwasser für ein konstant schwüles Raumklima.    


Art des Holzes, Häufigkeit und Mittel der Beopferung (täglich Hühnchen-Blut oder alle paar Jahre Hirsebier), ob innen, ob außen, ob geschützt, ob ungeschützt, ob trocken, ob feucht - all dies hat Einfluss auf die Patina!
 
(Balafone werden immer nur aus Djiè, einer termitenresistenten Holzart, gefertigt) 

Verwitterte Außenskulptur
Verwitterte Außenskulptur

Die Oberflächenstruktur großer Innenskulpturen (im Gegensatz zu kleinen, bei denen sich eine 'Griffpatina' ausbildet) ist nie glatt/glänzend, ganz gleich, ob sie beopfert sind oder unbeopfert bleiben und/oder viele Jahre hindurch in einem Getreidesack aufbewahrt wurden. Als typisches Beispiel sei auf die Bateba links unten verwiesen, die Hien Titiné von seinem Großvater geerbt und nur zum "Zeigen" im Raum seiner Frau ausgepackt hat.     


Die Entstehung einer Glanzpatina wie die des Couple rechts unten (Auktions-Lobi) ist im gesamten Lobi-Land "technisch" unmöglich.
Es hat sich die Lesart durchgesetzt, dass (vor allem französische) Galeristen alte Skulpturen gereinigt und mit Wachs auf Hochglanz gebracht hätten.
Weder das Alter noch die Verwendung im Kult lassen sich aber bei diesen polierten Bateba feststellen. Auffällig ist zudem, dass sie zumeist eine völlig andere Ästhetik aufweisen als die in situ anzutreffenden, i.e. dem konditionierten europäischen Geschmack entsprechen.


Bisweilen sind solchen Figuren im Anschluss an das Polieren noch Gebrauchsspuren/Schäden beigebracht worden - aber weshalb und durch wen?


Es steht zu vermuten, dass ein Großteil dieser Skulpturen ebenfalls in den von den Haussa finanzierten "Künstlerwerkstätten" in und um Gaoua direkt für den Export hergestellt wurde - mit oder ohne Patina/Gebrauchsspuren.


Solche Werkstätten existieren bereits seit vielen Jahrzehnten.  

Authentische Statue
Figuren-Paar, das für den Markt gefertigt wurde; die Glanzpatina ist künstlich hinzugefügrt

Der Kult-Schnitzer (Thetel)  
                                                                           

Der Schnitzer ist - wie alle anderen Lobi auch - Feldarbeiter und verrichtet den Job des "Thetel" zusätzlich, weil entweder der schnitzende Vater einen Nachfolger will oder der Wathil es so bestimmt hat (Befehl im Traum). Die Tätigkeit bringt auch nicht viel ein: Je nach Größe der Bateba zwischen - umgerechnet - etwa 75 Cent und zwei Euro. Vergleichsweise viel verlangt ausgerechnet der besonders tief im Busch lebende und deshalb nur mühsam zu erreichende Bildhauer Gnintôthé für eine etwa 80 Zentimeter große Statue: Knapp fünf Euro - unabhängig vom Schwierigkeitsgrad.
 
Ein Schnitzauftrag ist göttliche Weisung und darf deshalb nicht zurückgewiesen werden. Der Sculpteur Nakin berichtete am 14.12.2012, dass er sich während der Erntezeit das Geld für eine bestellte Bateba vom Kunden vorstrecken lasse, damit er für die Zeit seines Ausfalls auf dem Feld eine Ersatzkraft einstellen könne. 
  

Schnitzer scheinen eine Mischung aus Naturtalent und Autodidakt zu sein, eine handwerkliche Ausbildung gibt es ganz offenbar nicht. Denn sie berichten immer wieder, dass sie sich ein paar "Stücke" ihres Sohnes angeschaut und diesen sodann von der Verpflichtung zum Schnitzen entbunden hätten, weil er in diesem Metier "nichts getaugt" habe.  


Da die (Wa)thila von ihren Besitzern ständig neue Bateba verlangen, ist die Schnitzer-Dichte hoch, und jeder Lobi kennt in seiner fußläufigen oder mit dem Fahrrad bequem zu erreichenden Umgebung zumindest einen "Thetel".
Im winzigen Dorf Walbidouo gibt es derer sogar drei und in den benachbarten Orten gleich mehrere weitere.
Selbst wenn Schnitzer nah beieinander leben und arbeiten, pflegt jeder seinen eigenen Stil, von dem er allerdings bei speziellen Aufträgen/auf Geheiß der Thila immer mal wieder abweichen muss. Und die privaten Auftraggeber/Schreinbesitzer haben ihren Favoriten, bestellen nur selten bei der "Konkurrenz". Alle befragten Lobi berichteten, dass das Bestellen von Skulpturen (zumeist ein Couple) eine höchstpersönliche Angelegenheit zwischen ihnen und dem Schnitzer sei; es handele sich um ein echtes Vertrauensverhältnis. Nie käme man auf die Idee, eine Bateba in einer Schnitzerwerkstatt, die für den Handel/die Haussa arbeitet, zu ordern, es sei denn, es handele sich um einen unaufschiebbaren "Eilt-Auftrag" der Thila.


Der Thetel schnitzt denn auch nie auf Vorrat, sondern nur aufgrund einer konkreten Bestellung, mehr als zwei oder drei (unfertige) Bateba kann man bei ihm nie "besichtigen". Wenn er einen Auftrag erhält, begibt er sich in den Busch, um ein bestimmtes Holz auszuwählen, das er aber erst dann schlägt, wenn - im Zuge eines rituellen Aktes - die zuständigen Baumgeister ihre Einwilligung signalisiert haben.   
Nimmt sich der Sculpteur im Falle eines Auftrages vom Feld frei, so bietet er - im gesamten Lobi-Land - den immer gleichen Anblick:
Er sitzt auf einem Baumstumpf im Schatten der Äste und schnitzt - mit einfachstem Werkzeug und größtem Engagement - seine Arbeit.    

Somé Wahité
Kambou Depité

Wenn im Handel eine Bateba aus einer "Künstler-Werkstatt", einer "Schnitzerschule", einem "Atelier" oder einem "Workshop" angeboten wird, muss sich der potentielle Käufer darüber im Klaren sein, dass das Stück nicht aus dem Kult kommt, sondern à priori für den Export gefertigt wurde.
In Gaoua gilt es als offenes Geheimnis, dass die Haussa schon immer nach guten Sculpteuren gesucht haben, um sie professionell für ihr Geschäft schnitzen zu lassen. Durch viel Übung (im Gegensatz zum Kult-Schnitzer, der - neben der Feldarbeit - nur auf Bestellung schnitzt) optimieren diese ihre Technik und sind dann sehr schnell dazu in der Lage, Skulpturen in einem von den Kunden gewünschten Stil in größeren Mengen herzustellen.    


So hat Yul Bolaré, ein 2004 verstorbener Sculpteur, Zeit seines Lebens in seinem Heimatdorf Bonko eine "Werkstatt" betrieben, in der er, seine Söhne Yul Matoiné und Palenfo Nata sowie der Nachbar Da Sié Kouakou ausschließlich für den Haussa-Handel schnitzten - alle in ein und demselben "Bolaré-Stil", voneinander nicht zu unterscheiden. Auch nach Bolarés Tod führen die drei anderen die Tradition im Auftrag der Haussa fort. Im November 2010 befanden sich Yul Matoiné und Palenfo Nata gerade für ein paar Wochen bei der Kakao-Ernte in Côte d'Ivoire (hohe Löhne!), aber Da Sié Kouakou hatte viele Bolaré-Skulpturen auf Vorrat und in Arbeit. Er bestätigte die Aussage von Bolarés Neffen, dass keiner der vier Sculpteure jemals für den Kult geschnitzt habe.   





Links im Bild: Da Sié Kouakou beim Schnitzen einer "Yul Bolaré-Figur" mit ihren typischen Augenbrauen, aufgenommen am 25.11.2010 in Bonko-Gouri (unweit von Gaoua im Busch).   
Nach seinem eigenen Bekunden ist das Schnitzen (incl. Holzbeschaffung) kein ritueller Akt, sondern Mittel zum Gelderwerb.  
 
Schnitzer haben - wie andere Lobi auch - oftmals einen privaten Schrein oder Altarraum, den sie mit eigenen Werken bestücken. Da dies weithin unbekannt ist, werden beopferte Statuen eines für den Handel arbeitenden Sculpteurs gerne als Beweis dafür angeführt, dass er für den Kult schnitzt(e). 
 
Für Bolarés privaten Altarraum verlangten seine Erben am 25.11.2010 ein Eintrittsgeld in Höhe von 115 EUR.
 
 

Nur vier Kilometer von Gaoua entfernt, direkt an einer Zufahrtsstraße, liegt das Dorf Tambili, in dem der inzwischen fast erblindete Dihunté Palenfo mit sechs weiteren Schnitzern eine "Haussa-Werkstatt" betreibt. Hier werden ausschließlich Skulpturen im "Sikiré-Stil" (O-Ton am 26.11.2011) gefertigt. Es gibt Besucherparkplätze!
Die Einnahme Dihuntés durch westliche Kunden zeigt sich bereits an seiner Benennung, indem man nämlich seinen Vor- und Zunamen in die "europäische Position" gebracht hat:
Im "Pays Lobi" wird der Familienname dem Vornamen stets vorangestellt, sodass er richtigerweise Palenfo Dihunté genannt werden müsste (im Gespräch redet man selbst Fremde nur mit dem Rufnamen an).
Das gleiche Phänomen war bereits bei Sikiré Kambiré, Lunkena Palé und Tyohepthé Palé (Letzterer im Lobi-Land lediglich unter "Dôko" bekannt) zu verzeichnen.
Es gibt nur sehr wenige Lobi-Nachnamen: Da, Kambou, Hien, Palé, Yul, Sib, Kambiré, Palenfo, Nufé, Poda, Somé, Meda und Somda. In Ausweisen findet man auch schon einmal "Dah" statt "Da" oder "Youl" statt "Yul", je nachdem, welche "Gemeindebeamte" hier tätig waren. Da diese zumeist anderen Ethnien entstammen und des Lobiri mit seiner überaus komplizierten Aussprache nicht mächtig sind, finden sich in den Pässen durchwegs vor allem falsch geschriebene Vornamen. So hieß Tyohepthé in Wirklichkeit Djéhebté. Aber als Analphabet konnte er seine Stammbuch-Daten nicht überprüfen.
Der Nachname wird traditionell von der Mutter übernommen und nie mehr abgelegt.       

Der Wahrsager Palé Wathil
Der Wahrsager (Buor)


Jeder Lobi kennt nicht nur Schnitzer, sondern auch Wahrsager.
Der Buor ist kein Hellseher, der in die Zukunft schaut, sondern Helfer in der Not: Der Wathil hat einen Traum geschickt, den man nicht zu deuten weiß, ein Angehöriger ist schwer erkrankt, es ist eine Konfliktsituation (Streit mit dem Ehegatten oder einem Nachbarn) eingetreten, etc.
Während die Beopferung der eigenen Schreine dem generellen Zweck dient, sich und die Familie vom Wathil beschützen zu lassen, konsultiert man den Wahrsager in konkreten Fällen. Er ist Mittler zwischen den Menschen und den Thila, mit denen er sich ebenfalls unterhalten kann: Über die Bateba, in die die Thila hineingeschlüpft sind!

Wahrsager sind loyale Kunden der von ihnen bevorzugten Schnitzer, bei denen sie kontinuierlich Bestellungen aufgeben.
Im Gegensatz zu anders lautenden Aussagen weisen auch heute noch viele Altarräume eine große Anzahl von Skulpturen auf, z.T. handelt es sich um eine Kombination von ererbten und eigenen Bateba.


Die für die eigentliche Wahrsagertätigkeit benötigten (zumeist kleinen) Bateba werden in einem Ziegenledersack (Buor lokar, s. Fotos unten) aufbewahrt, in dem sich auch die übrigen Divinationsgegenstände (z.B. ein Behältnis aus Schlangen-, Krokodil- oder Büffelhaut mit Kaurischnecken, das sog. Tchoussi) befinden.
Erscheint ein Klient zur Konsultation, so nimmt der Wahrsager den Buor lokar von einem Nagel an der Wand des Schreinraumes und breitet dessen Inhalt auf dem Boden sitzend zwischen seinen Beinen aus. Er ergreift die Hand des neben ihm sitzenden Kunden und nimmt Verbindung zu den Geistern auf, indem er laut zu ihnen spricht, während er mit der freigebliebenen Hand Kaurischnecken wirft.

Buor lokar mit Divinationsutensilien des Wahrsagers Hien Tihinté
Buor lokar mit Divinationsutensilien des Wahrsagers Kambiré Lèkièrè

Dem Wahrsager geht es nicht anders als dem Schnitzer: Die Nebentätigkeit hält ihn von der Feldarbeit ab, bringt jedoch - außer vielleicht dem Preis für ein Opferhuhn - zumeist nichts ein.
Aber dem Wunsch des Wathil darf man sich halt nicht widersetzen!
Der Buor arbeitet in der Regel seriös, d.h., er erweist sich tatsächlich als weiser Streitschlichter, Ratgeber - als  Retter in der Not!
Bisweilen weist er seinen Klienten an, sich bei einem Thetel eine Bateba schnitzen zu lassen.


Aber es gab auch den missgünstigen Wahrsager, der seinem Buor-Kollegen aus der Nachbarschaft den sicheren Tod binnen eines Jahres voraussagte, weil er Fremde in seinen Schreinraum gelassen hatte. Oder den gierigen Wahrsager, der einem Motorradfahrer einen tödlichen Unfall binnen eines Monats für den Fall in Aussicht stellte, dass er nicht zwei Schafe opfere (= das Fleisch zur Verfügung stelle). Der arme Motorradfahrer musste sogleich zwei (!) weitere Wahrsager aufsuchen, die ihn denn auch beruhigen konnten.
Ausnahmen!


Unterhält man sich mit Einheimischen auf Französisch, so bezeichnen diese nicht nur den Wahrsager, sondern jeden, der einen Wathil/einen Schrein besitzt, als "Féticheur".
Nur so ist beispielsweise zu verstehen, dass es im Dorf Lobio hieß: "Bei uns ist jeder Féticheur".
Das Lobiri (Sprache der Lobi) differenziert hier durchaus: Der Besitzer eines Schreines (Thildu) wird Thildaar genannt.

Schreinhaus
Innenaltar mit Skulpturen des Bildhauers Kidinté

Oftmals ist ein Schnitzer zugleich Thildaar, bisweilen darüber hinaus noch Buor, so zum Beispiel Yul Bokpan: Er beliefert mehrere Wahrsager mit Bateba, schnitzt zudem für seine eigenen Altäre und genießt ferner als Buor ("Grand Féticheur") große Anerkennung. Sein Ledersack war irgendwann gerissen, sodass er seine zahlreichen Divinationsbateba in einer "Übergangstasche" unterbringen musste. Sein größter Kunde, der Wahrsager Ikpiéré, schenkte ihm dann aber am 15.11.2012 einen von ihm selbst gefertigten Buor lokar.

Yul Bokpan
Divinationsgegenstände mit Übergangstasche

Bokpans neuer Ziegenledersack für seine Divinations-Gegenstände am 15.11.2012

 
 

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